In meinem Geburtsland Kasachstan ist die Presse- und Meinungsfreiheit kein Recht, das dem Volk bedingungslos zusteht. Ungeliebte Journalisten werden nicht selten behelligt, verhaftet und gefoltert. Regierungskritische Artikel werden häufig rigoros zensiert oder im kasachischen Internet komplett blockiert. Es war also nicht selbstverständlich, dass eine gebürtige Kasachin ausgerechnet im Journalismus ihre Berufung findet. Und doch kam es genau so.
Denn als ich im Alter von sechs Jahren mit meiner Familie nach Deutschland übersiedelte, habe ich eine andere Form des Journalismus kennenlernen dürfen. Ich habe erlebt, was Medien- und Meinungsfreiheit bedeutet. Wie wertvoll und weltbewegend diese Freiheit ist. Und wie wichtig es ist, Menschen über das, was um sie herum passiert, aus allen möglichen Perspektiven aufzuklären, damit sie sich eine Meinung bilden können.
,,Journalismus ist Literatur in Eile.“
Das Zitat des englischen Dichters und Literaturkritikers Matthew Arnold empfinde ich als treffende Umschreibung dieses Berufs. Denn auch der Journalismus ist in vielerlei Hinsicht eine Kunst. Die Kunst wichtige, brisante und komplexe Themen in ihrem Kern zu erfassen und einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen. Die Kunst, hinter jede noch so dichte Fassade zu dringen und die Wahrheit zu ergründen – wenn nicht direkt beim ersten Versuch, dann eben beim zweiten oder dritten. Und die Kunst, Menschen eine Stimme zu geben, die sonst vielleicht für immer stumm geblieben wären.
Dabei die Balance zu halten zwischen Emotion und Objektivität, zwischen nüchternen Fakten und spannender Erzählform und zwischen kritischem Hinterfragen und zurückhaltender Analyse gleicht nicht selten einem minutiös durcharrangierten Orchesterkonzert. Jeden Tag lernt man etwas Neues dazu und lernt doch nie aus. Immer wieder macht man als Journalist auch Fehler, für die man gradestehen muss. Das ist die Schönheit und Schwierigkeit des journalistischen Berufs, der mein Herz für immer erobert hat.